Augentraining: Einfache Übung, die Ihre Sehkraft verbessern kann
Wie die Arme und Beine, so werden auch unsere Augen von kontrahierenden Muskeln bewegt. An der Rückseite des Augapfels sind mehrere winzige Muskeln befestigt, die das Auge in sämtliche Richtungen ziehen können. Die Augenmuskeln mit Augentraining in Form zu halten, ist daher für ein gutes Sehvermögen unerlässlich.
Dieser Artikel ist auch als Video auf unserem Youtube-Kanal zu finden: Sehstörung und Augenbewegungen (Deutsche Version)
Augenbewegungen sind wichtig für scharfes Sehen
Vielleicht ist Ihnen bisher nicht klar, wie wichtig Augenbewegungen für das normale Sehen sind. Wahrscheinlich sind Ihnen die normalen Augenbewegungen bewusst, mit denen Sie das Auge nach rechts und links oder auf und ab bewegen. Doch selbst wenn Sie Jemandem in die Augen blicken, entgehen Ihnen die winzigen Mikrosakkaden. Das sind unmerklich kleine, zitternde Augenbewegungen, die für hochauflösendes Sehen extrem wichtig sind.
Bei einem gesunden Menschen funktionieren die Augenmuskeln mühelos und bewegen beide Augen perfekt synchronisiert in die gleiche Richtung, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Die beiden Augen gleichen einem tanzenden Paar, das sich gemeinsam im Rhythmus der Musik bewegt. Die perfekte Synchronisation ermöglicht es dem Gehirn, die beiden Bilder miteinander in Übereinstimmung zu bringen und daraus ein einziges zu erzeugen. Selbst bei kleinen Abweichungen der beiden Bilder ist das Gehirn immer noch imstande, die beiden irgendwie zu verschmelzen (Fusion). Ein perfektes Sehvermögen ist also sowohl das Ergebnis paralleler Augenbewegungen als auch der Fusion der beiden Bilder im Gehirn.
Störungen der Augenbewegungen und Doppelsehen
Diese Feinkoordination der Augenposition und -bewegung wird während der frühen Kindheit justiert, wenn der Säugling durch die Gegend schaut. Misslingt die Augenkoordination jedoch, sodass die verschiedenen Augenmuskeln sich nicht gemeinsam bewegen, sieht das Gehirn zwei unvollständige Bilder, die sich nicht korrekt überlappen, was man als Doppelsehen oder auch als Diplopie bezeichnet. Dazu kommt es entweder in der frühen Kindheit oder als Folge einer Verletzung von Sehnerv oder Gehirn.
Das Gehirn mag kein Durcheinander und will ein klares Bild, weshalb es in dieser Situation das eine Auge zunehmend ignoriert, um nicht verwirrt zu werden. Das hat zur Folge, dass ein Auge zugunsten des anderen Auges geschwächt wird. Selbst wenn beide Augen vollkommen normalsichtig sind, wird dann im Alltag nur eines vom Gehirn genutzt. Setzt das in der frühen Kindheit ein, wird das andere Auge immer schwächer, was zur Amblyopie führen kann, einer Krankheit, bei der der Betreffende auf einem Auge schwachsichtig wird.
Im Kindesalter lässt sich das beheben, indem man das normale Auge jeden Tag ein paar Stunden lang abdeckt und den Prozess auf diese Weise umkehrt. Kommt es zu dieser Fehlstellung der Augen jedoch im Erwachsenenalter, wenn das Gehirn nicht mehr so flexibel ist, zum Beispiel nach einer Verletzung des Sehnervs oder des Gehirns, können die Doppelbilder, sofern sie nicht adäquat behandelt werden, jahrelang weiterbestehen, ein unangenehmer Zustand, der für die Patienten äußerst lästig ist.
Um herauszufinden, wie sich Doppelsehen anfühlt, können Sie den folgenden harmlosen Test durchführen: Schauen Sie mit beiden weit geöffneten Augen geradeaus und fixieren Sie dabei einen kleinen Gegenstand. Drücken Sie dann leicht gegen das Unterlid des einen Auges, um den Augapfel ein klein wenig zu verschieben. Sie sehen jetzt zwei unterschiedliche Bilder. Falls Sie das Doppelbild verstärken wollen, drücken Sie auch gegen den anderen Augapfel, doch in die andere Richtung. Achten Sie darauf, nicht zu fest zu drücken, und dehnen Sie den Versuch nicht länger als ein paar Sekunden aus.
Doppelsehen lässt sich mit einer Prismenbrille oder durch Augentraining behandeln. In schweren Fällen kann eine Operation der Augenmuskeln nötig sein, was man jedoch nur in Erwägung ziehen sollte, wenn alle anderen Methoden versagen.
Mit Augentraining das Sehvermögen verbessern: Augenyoga
Ein Augenbewegungstraining kann dazu beitragen, dass Sie Objekte im blinden Bereich ihres Gesichtsfelds besser erkennen und so seltener mit jemandem zusammenstoßen, sicherer über die Straße kommen und auch besser an der Ecke abbiegen können. Durch das bewusste Scannen in diesen kritischen Momenten werden Sie Objekte mit größerer Wahrscheinlichkeit sehen – das sollten Sie in jedem Falle erlernen! Auch wenn Sie auf eine Tür zugehen oder etwas suchen, was auf einem Tisch oder einem Regal liegt, kann diese Fähigkeit hilfreich sein. Bei einem Sehverlust im unteren Bereich des Gesichtsfelds kann das bewusste Scannen des Bodens Sie vor dem Stolpern oder einer möglicherweise folgenschweren Fehleinschätzung von Treppenstufen bewahren.
Augenbewegungstraining (Bewegung der Augen in sämtliche Richtungen)
Falls Sie eine Brille oder Kontaktlinsen tragen, sollten Sie sie während der nachfolgend beschriebenen Augentrainings absetzen beziehungsweise herausnehmen. Wann immer Sie etwas ohne Brille tun können, nehmen Sie sie ab und geben Sie Ihren Augen die Möglichkeit, ohne Hilfe zu sehen, selbst wenn Sie zunächst nicht scharf sehen können.
Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl oder auf den Fußboden. Nehmen Sie sich Zeit für die Übung und bleiben Sie entspannt.
- Strecken Sie die Arme seitlich aus, die Daumen zeigen nach oben. Halten Sie den Kopf ruhig, das Gesicht ist nach vorne gewandt. Blicken Sie abwechselnd zwischen den Daumen hin und her, wobei Sie nur die Augen – nicht den Kopf – zu ihnen hinbewegen. Wiederholen Sie die Bewegung etwa zehnmal. Nach und nach werden Sie Ihre Augen immer weiter zur Seite bewegen können, ohne sich anzustrengen, und so Ihren Blickwinkel erweitern. Strecken Sie die Arme daher so weit wie möglich seitwärts, sodass nur die Daumen am Rand Ihres Gesichtsfelds für Sie sichtbar sind. Schließen Sie dann die Augen und bleiben Sie etwa eine Minute lang ruhig sitzen.
- Schauen Sie geradeaus nach vorn und dann so weit wie möglich nach oben. Schauen Sie wieder nach vorn. Schauen Sie so weit wie möglich nach unten. Schauen Sie erneut nach vorn. Halten Sie den Kopf während der gesamten Übung ruhig und bewegen Sie nur die Augen. Wiederholen Sie die Übung zehnmal. Schließen Sie dann die Augen und entspannen Sie sich.
- Stellen Sie sich ein Quadrat vor. Schauen Sie zur oberen rechten Ecke des imaginären Quadrats. Schauen Sie dann zur unteren linken Ecke. Schauen Sie wieder nach vorn. Wiederholen Sie die Übung zehnmal. Schließen Sie die Augen und ruhen Sie sich aus.
- Jetzt schauen Sie zu der Ecke oben links und dann zur Ecke unten rechts. Schauen Sie dann wieder nach vorn. Wiederholen Sie die Übung zehnmal. Schließen Sie die Augen und ruhen Sie sich aus.
- Strecken Sie den linken Arm gerade vor sich aus, wobei der Daumen nach oben zeigt. Schauen Sie zu Ihrem Daumen und bewegen ihn langsam in einem großen Kreis am Rand des Gesichtsfelds entlang. Halten Sie den Kopf dabei so unbewegt wie eine Statue; achten Sie darauf, dass der Kopf nicht der Augenbewegung folgt. Dazu hilft es, wenn Sie das Kinn auf die Hand stützen. Lassen Sie den Daumen erst fünfmal in die eine Richtung am Rand des Gesichtsfelds entlang kreisen, dann fünfmal in die andere Richtung, wobei Sie ihm mit den Augen folgen. Wiederholen Sie die Übung anschließend mit dem rechten Daumen.
- Schreiben Sie mit ausgestrecktem Arm die Ziffer acht in die Luft, so groß es Ihnen möglich ist, und folgen Sie der Bewegung mit den Augen, sowohl vertikal als auch horizontal. Halten Sie den Kopf ruhig, sodass nur Ihre Augen der Bewegung der Daumen folgen. Zeichnen Sie Quadrate in die Luft, deren Ecken an den Rändern ihres Gesichtsfelds liegen. Ihr Arm bleibt die ganze Zeit über ausgestreckt.
Fokussieren
Diese berühmte »Schielübung« fördert die Fähigkeit Ihrer Augen, beim Schielen nach innen zu schauen.
- Strecken Sie einen Arm geradeaus, wobei Sie einen Bleistift in der Hand halten (alternativ können Sie auch den nach oben gerichteten Daumen bei ausgestrecktem Arm benutzen). Schauen Sie auf den Daumen oder auf die Spitze des Bleistifts, während Sie den Bleistift zur Mitte zwischen ihren Augenbrauen hin und dann wieder in die Gegenrichtung zurückbewegen. Führen Sie den Daumen/Bleistift langsam und mit gleichmäßigen Bewegungen zehnmal vor und zurück. Wenn Sie sich der Nase nähern, stoppen Sie die Bewegung, sobald Sie anfangen, Doppelbilder zu sehen, und bewegen Sie den Stift dann ein kleines Stück von der Nase weg, bis Sie nur noch eine Bleistiftspitze beziehungsweise einen Daumen sehen. Falls Sie kurz- oder weitsichtig sind, werden Sie den Daumen/die Bleistiftspitze nicht die ganze Zeit über scharf sehen können, aber führen Sie die Bewegung dennoch zu Ende, indem Sie den Arm ganz ausstrecken und den Daumen/ die Bleistiftspitze anschließend wieder zu der Stelle zwischen Ihren Augenbrauen bewegen.
- Schauen Sie auf Ihre Nasenspitze und dann zu einem weiter entfernt liegenden Punkt. Fokussieren Sie beide Punkte zehnmal so scharf wie möglich. Ruhen Sie die Augen jetzt wieder mithilfe von Handflächenauflegen aus.
Vertiefung
- Wenn ein Muskel eine Zeit lang sanft gedehnt wird, lässt die Spannung in ihm nach, und die zuvor gebundene Energie wird frei. Das geschieht sowohl bei den Yoga-Haltungen als auch, wenn Sie die Augen – ohne den Kopf zu drehen – eine Weile zum Rand Ihres Gesichtsfelds blicken lassen. Tun Sie das, indem Sie jeweils zu einem Punkt oben, unten und oben sowie rechts und links schauen (wobei Sie jede Stellung vier bis fünf Sekunden lang halten).
- Rollen Sie jeweils zehnmal erst in der einen, dann in der anderen Richtung mit den Augen. Denken Sie nicht über die Bewegung nach, sondern schauen Sie stattdessen in einer stetigen Bewegung am Rand Ihres Gesichtsfelds entlang, ohne irgendwo anzuhalten (Abbildung 3: Augenrollen). Diese Übung ist besonders beim fortgeschrittenen Yoga wichtig, da hierbei tief liegende Spannungen gelöst werden und Ihr energetischer Zustand sich allgemein verbessert. Führen Sie die Übung ruhig und langsam aus und erst, nachdem Sie sich bei den Übungen »Augentraining (Bewegung der Augen in sämtliche Richtungen)« aufgewärmt haben.
- Kneifen Sie die Augen zusammen, schauen Sie zur Augenbrauenmitte und verharren Sie dort einen Moment. Anschließend schauen Sie mit zusammengekniffenen Augen einen Moment lang zu Ihrer Nasenspitze. Wechseln Sie ein paarmal zwischen den beiden Punkten hin und her. Diese Übung löst tief liegende Spannungen – nicht nur in den Augen, sondern im ganzen Körper. Übertreiben Sie es nicht, und machen Sie die Übung erst, nachdem sie die Übungen davor absolviert haben. Mit etwas Erfahrung sollten Sie die beiden Punkte länger fixieren können.
Ruhe und Entspannung
Ruhen Sie sich jetzt etwa fünf Minuten lang mit der »Handflächenauflegen« Übung aus. Reiben Sie dabei hin und wieder die Hände aneinander.
Möglicherweise werden Sie unmittelbar nach der Entspannung besser sehen können, ein Teil dieses Sehvermögens kann im Alltagsstress allerdings wieder verloren gehen. Es zahlt sich daher aus, das Augen-Yoga regelmäßig durchzuführen, und Ihr Sehvermögen wird sich nach und nach verbessern.
Wenn Sie etwas ansehen, müssen Sie sich gar nicht so sehr anstrengen. Betrachten Sie die Dinge nicht mit, sondern durch ihre Augen. Sie sind Ihr Fenster zur Welt.
Handflächenauflegen
Diese ganz besonders wichtige Übung führt die Entspannung herbei, die die Wirkung der anderen Übungen verstärkt.
Diese Übung
- beruhigt den Sehnerv,
- entspannt das Nervensystem,
- regt die Blutzirkulation in den Augen an.
Setzen Sie die Brille ab und legen Sie Ringe oder Armreifen ab. Verdunkeln Sie den Raum und setzen Sie sich an einen Tisch. Reiben Sie die Handflächen mit schnellen, kleinen Bewegungen aneinander, bis sie einigermaßen warm sind. Legen Sie dann die warmen Handflächen auf die Augäpfel, wobei sich die Finger der einen Hand mit denen der anderen auf der Stirn kreuzen.
Vergewissern Sie sich, dass Sie die Augen unter den Händen ohne Probleme öffnen und schließen können, ohne dass Licht hindurch dringt und ohne dass die Augen Druck ausgesetzt werden. Lassen Sie die Augen nun zwei bis drei Minuten lang geschlossen und spüren Sie, wie die Wärme von Ihren Händen in die Augen strömt, während Sie sie ausruhen. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Augen weich und empfänglich sind.
Jetzt beginnen Sie damit, eine immer tiefer werdende Schwärze zu visualisieren. Das wird Ihnen nur dann gelingen, wenn der Sehnerv völlig entspannt ist. Sie werden diesem Ziel nach und nach näher kommen, wenn Sie beim Handflächenauflegen Fortschritte machen. Versuchen Sie, Schwärze zu sehen und akzeptieren Sie das, was Sie erhalten.
Legen Sie sich nicht zu sehr ins Zeug. Anstrengung und Anspannung sind bei der Handflächenmassage kontraproduktiv, Sie stehen hier nicht in einem Wettbewerb.
Das Augentraining ist also ein wirklich nützliches Werkzeug in Ihrer Trickkiste. Allerdings dürfen Sie nicht erwarten, dass Ihre Sehkraft sich dadurch so stark verbessert wie durch Methoden zur Wiederherstellung der Sehleistung. Weiterhin sollte man sich darüber im Klaren sein, dass häufige, einseitige Augenbewegungen andere Einschränkungen zur Folge haben können.